In diesem Artikel gebe ich eine kurze Einführung zu digitalem Minimalismus, sowie 8 Praktiken, die Ihnen Anregungen geben sollen, um selbst digitalen Minimalismus umzusetzen. Dieser Artikel ist meine Zusammenfassung und teilweise Interpretation des Buches Digital Minimalism von Cal Newport.
Was ist digitaler Minimalismus?
Digital minimalism is "A philosophy of technology use in which you focus your online time on a small number of carefully selected and optimized activities that strongly support things you value, and then miss out on everything else."
— Cal Newport 2019: Digital Minimalism, p. 28
Die Definition zeigt, dass es beim digitalen Minimalismus nicht darum geht, alle digitalen Tools zu vermeiden. Digitale Minimalisten sehen digitale Tools oft als sehr hilfreich an. Es geht eher darum, die Tools zu Priorisieren und nicht jedes Tool mit geringem Nutzen mitaufzunehmen.
Newport baut die Philosophie des digitalen Minimalismus auf drei Prinzipien auf:
- Unordnung und zu viel Kram ist kostspielig → Newport glaubt, dass, wenn zu viele Features, Apps usw. genutzt werden, der Nutzen der einzelnen Services verschwimmt.
- Optimierung ist wichtig → Digitale Minimalisten glauben, dass nur wenig digitale Services genutzt werden sollten, um die einzelnen Services optimal zu nutzen.
- Achtsamkeit ist befriedigend → Digitale Minimalisten finden im achtsamen Gebrauch von digitalen Hilfsmitteln eine Befriedigung.
Warum ist digitaler Minimalismus wichtig?
Für digitalen Minimalismus sprechen mehrere Gründe. Ich möchte hier zwei Gründe besonders hervorheben:
- Viele digitale Services sind darauf ausgelegt, die Nutzer anzufixen, dass sie die Tools ständig nutzen. Dabei handeln die Nutzer oft unkontrolliert und aus reiner Gewohnheit. Und wie überall macht auch hier fehlende Kontrolle unglücklich.
Querverweis: Wie die großen Tech-Unternehmen das machen, können Sie in meinem Artikel Hooked - Wie man Produkte designt, die süchtig machen lesen.
- Durch eine unkontrollierte Nutzung von digitalen Tools gehen meist Produktivität oder (echte) soziale Kontakte verloren.
Wie man digitalen Minimalismus umsetzen kann?
Nachfolgend möchte ich Ihnen ein paar Praktiken mit auf den Weg geben, mit denen Sie Ihren digitalen Minimalismus passend aufbauen können. Die Praktiken stammen hauptsächlich aus Newport's Buch und wurden mit meinen eigenen Erfahrungen ergänzt.
Praktik 1: Herausfinden, welche Tools man wirklich benötigt
Diese Praktik ist quasi Digital-Media-Detox, nachdem man besser bewerten kann, welche Tools tatsächlich wichtig sind und auf welche man scheinbar gut verzichten kann. Um das herauszufinden, empfiehlt Cal Newport einen Drei-Schritte-Ansatz:
- Regeln definieren (Auf was wird in welcher Form verzichtet?)
- 30 Tage Pause
- Technologie (in optimierter Weise) wiedereinführen
Praktik 2: Spaziergänge ohne Handy
Auf Spaziergängen ohne Handy sollen äußere Einflüsse minimiert werden, um Gedanken zu verarbeiten und die Konzentration zu stärken.
Praktik 3: Umgang mit sozialen Medien optimieren
Ein großer Auslöser von digitalem Minimalismus sind sicher soziale Medien wie Facebook und Instagram.
Eine Praktik im Umgang mit Social Media ist, Social Media ganz löschen. Die, die das etwas zu radikal finden, können allerdings auch andere der folgenden Praktiken anwenden, um den Umgang mit Social Media zu verbessern.
Hacks:
- Soziale Medien vom Smartphone löschen und nur über den Desktop nutzen
- Automatischen Login für Social Media verhindern und Passwort nicht speichern (Ausbaustufe: abstraktes Passwort, das nicht gemerkt werden kann, auf einem Zettel im Regal verstauen)
Praktik 4: Zeiteinteilung
- Die Zeit für WhatsApp und Co. kann in gewisse Zeitslots zusammengefasst. So können Sie zum Beispiel 5 Zeitslots pro Tag haben, an denen Sie alle Nachrichten beantworten. Das verhindert das ständige Wechseln zwischen Aufgaben und Texten.
- Low-Quality-Zeit einplanen → Digitale Aktivitäten, die Sie als Low-Quality eingestuft haben, auf die Sie aber noch nicht ganz verzichten wollen, können Sie in gewisse Zeitslots setzen. So können Sie diese Services weiterhin nutzen, ohne die Kontrolle darüber zu verlieren.
- Freizeit allgemein einplanen → Wenn Sie einen Zeitplan für Ihre Freizeit haben, können Sie vorab festlegen, was Ihnen wichtig ist und was nicht. Das senkt das Risiko, die Freizeit mit mittelmäßigen Beschäftigungen zu vergeuden. Zugegeben kann ein Zeitplan auch anstrengend oder unspontan sein, aber man muss es ja nicht zu detailliert machen. Das wichtige ist eher, sich darüber bewusst zu werde, womit man seine Zeit verbringt und womit man sie eigentlich am liebsten verbringen würde.
Praktik 5: Jede Woche etwas physisches reparieren oder bauen
Eine andere Praktik ist es, sich in der Freizeit zurück auf die physischen Dinge zu besinnen.
Praktik 6: Geräte nach dem Zweck trennen
Bei dieser Praktik wird meist zwischen Laptops und Smartphones von der Arbeit und private Geräte unterschieden. Für den Arbeitslaptop bedeutet das, dass keine privaten Webseiten, Email-Programme oder ähnliches aufgerufen werden. Andersrum gilt das auch für private Geräte.
Für all diejenigen, für die das nicht möglich ist, empfehle ich eine abgeschwächte Variante: Zum einen teilen Sie sich die private Nutzung auf Ihrem Arbeitslaptop zeitlich ein. Zum anderen nutzen Sie für die private Nutzung separate Programme: einen alternativen Internetbrowser und alternative oder webbasierte Email-Programme.
Praktik 7: Add-Ons, um Seiten zu blocken
Für alle gängigen Browser können Sie einfach und kostenlos Add-Ons installieren, die die Nutzung einiger Webseiten beschränken.
Ich nutze für meinen Google Chrome Browser das Add-On Stay Focusd. Darin sind u.a. folgende Funktionen enthalten:
- Blockierte Websites festlegen (Auch der Weg, nur mit erlaubten Seiten zu arbeiten, ist möglich)
- Maximale Zeit auf blockierten Seiten pro Tag
- Sperrzeiten für blockierte Seiten (Uhrzeiten und Wochentage)
- Weitere benutzerdefinierte Einstellungen
Für andere Browser oder sogar für Smartphones gibt es Alternativen.
Praktik 8: Informationsflut dosieren
Dadurch, dass News so einfach und in solch einer Menge erhältlich sind, ist es wichtig, die Informationsflut zu dosieren.
Hier sind ein paar Beispiele, wie das gelingen kann:
- Zeitungsartikel abspeichern (als Lesezeichen oder als PDF) und später in Ruhe lesen
- Abo einer Tageszeitschrift (physisch oder digital)
- Ausgewählte Podcasts oder
Praktik 9: Smartphone und Apps
Um das Smartphone als digitaler Minimalist zu nutzen, gibt es mehrere Methoden:
- Apps löschen → Der einfachste Weg ist zunächst mal Apps auszumisten, die man nicht unbedingt braucht. Dazu zählen — nach dem Prinzip des digitalen Minimalismus — die Apps, deren Nutzen im Vergleich zum Aufwand zu gering ist.
- Kein Smartphone mehr nutzen → Das ist zugegeben ein etwas drastischer Schritt, aber für manche dennoch der richtige Weg.
- Smartphonenutzung einteilen
- Mobile Daten ausschalten → Bei den meisten Smartphones kann der Internetempfang auf Knopfdruck an- und ausgeschalten werden. So können Sie beispielsweise in gewissen Zeitslots komplett auf das mobile Internet verzichten.
- Zweithandy → Eine andere Variante ist, ein nicht-internetfähiges Zweithandy zuzulegen. Mittlerweile gibt es sogar für die Zielgruppe digitale Minimalisten ein simples Handy, das sie mit Ihrem Smartphone aktivieren oder deaktivieren. Die Kontakte und die Rufnummer werden dabei automatisch synchronisiert. So haben Sie eine Nummer und zwei synchrone Handys. Leider gibt es dafür noch keine Kooperationen mit Mobilfunkanbietern in Deutschland.
Fazit
Digitaler Minimalismus kann im Ausmaß variieren. Dabei gibt es kein richtig oder falsch, sondern eher ein passend oder unpassend. Durch die genannten Prinzipien und Praktiken können Sie Ihren digitalen Minimalismus finden, falls Sie das möchten. Das wichtigste jedoch ist, dass man sich darüber Gedanken macht, welche Tools man nutzt und immer den wahren Preis und Nutzen des Tools hinterfragt.
Quellen
Newport, Call 2019: Digital Minimalism - On Livining Better with Less Technology, Penguin, 2019.
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