Was ist in einem Startup eine gesunde Balance zwischen Chaos und Management? Diese Frage stellen sich viele Gründer. Die Lean Startup Methode bietet darauf eine validierte Antwort.
Lean Startup ist eine agile Methode, die Entrepreneurship und Management verknüpft. Die Methode wurde von Eric Ries entwickelt und in seinem Bestsellerbuch The Lean Startup beschrieben. Der Name lehnt sich an das japanische Lean Management von Toyota an.
Die Kernidee von Lean Methoden ist das Vermeiden von Verschwendung (japanisch: muda). Das gelingt der Lean Startup Methode, indem sie einen ständigen Zyklus durchläuft, in der iterativ herausgefunden wird, was der Markt benötigt und was nicht. Diese Vorgehensweise beruht auf dem elementaren Lean-Prinzp »Pull statt push«.
Diese Seite ist folgendermaßen gegliedert:
- Prinzipien des Lean Startups
- Ablauf der Lean Startup Methode
- Build
- Measure
- Learn
- Anwendungsbereich der Lean Startup Methode
Prinzipien des Lean Startups
Die Lean Startup Methode beruht auf den folgenden 5 Prinzipien.
- Entrepreneurs are everywhere – Entrepreneure sind überall
Nicht nur Gründer sind Entrepreneure, sondern alle, die in einem ungewissen Umfeld arbeiten und sich mit Hypothese zurechtfinden. - Enrepreneurship is management – Unternehmertum bedeutet Management
Um die Ungewissheit im Entrepreneurship zu bewältigen, ist eine besondere Art des Managements erforderlich. - Validated learning – Validiertes Lernen
In der Lean Startup Methode werden Hypothesen validiert. - Build–Measure–Learn – Bauen, Messen, Lernen
Es wird eine ständige Iterationsschleife aus Bauen, Messen, Lernen durchlaufen. Diese Schleife sollte oft und schnell stattfinden. - Innovation accounting – Innovationscontrolling
Durch KPIs werden Schleifen, Methode und Geschäftsmodell gemanagt.
Ablauf der Lean Startup Methode
Die Lean Startup Methode misst Hypothesen iterativ nach dem Build–Measure–Learn-Ablauf. Das erfolgt meist in Form von Minimum Viable Products (MVP). Minimum Viable Product bedeutet minimal überlebensfähiges Produkt – ein Produkt, das gerade ausreicht um die vorliegende Hypothese zu testen. Diese Vorgehensweise verleiht dem komplexen Vorhaben eines Startups eine wissenschaftliche Methode.
Bevor die Lean Startup Methode angewendet wird, muss zunächst eine Produktidee oder Geschäftsidee entstehen. Um eine Idee auszuarbeiten hilft das Design Thinking. Mit einer bestehenden Idee kann dann mit der Lean-Startup-Methode begonnen werden. Die Erste Phase heißt:
Build
Die Build-Phase setzt sich aus zwei Aufgaben zusammen. Als erstes muss eine Hypothese aufgestellt werden und als zweites ein Testprodukt gebaut werden, das diese Hypothese testet.
Aufgabe 1: Hypothese aufstellen
Ein Produkt und ein Geschäftsmodell besteht zunächst aus sehr vielen Hypothesen und Ungewissheiten. Diese Hypothesen gilt es zu testen und daraus zu lernen.
Was sind Hypothesen?
Hypothesen sind Annahmen zum Geschäftsmodell oder zur Produktidee, die getestet werden sollen, um ein validiertes Geschäftsmodell aufzustellen.
Eric Ries nennt zwei wichtige Arten von Hypothesen. Das sind die Value Hypothesis und die Growth Hypothesis. Value Hypothesis (Wethypothese) testet ob Produkt, Dienstleistung und/oder Geschäftsmodell einen Mehrwert für einen Kunden schafft.
Beispielhafte Value Hypothese von Spotify: Ein Musikstreamingdienst mit einer kostenpflichtigen Premium-Flatrate schafft einen Mehrwert.
Growth Hypothesen sind Hypothesen, die den Wachstum betreffen. Sie sollten stets auf bereits validierten Value Hypothesen aufbauen. Denn nur Etwas, das Mehrwert schafft, kann in die richtige Richtung wachsen.
Beispielhafte Growth Hypothese: Eine 5.000€ Investition in TV-Werbung erhöht den Umsatz um 20.000€.
Wie finde ich Hypothesen?
Hypothesen können aus dem Produkt abgeleitet werden. Vor allem neue Funktionen und Features sind Hypothesen. Außerdem können Hypothesen aus eurem Geschäftsmodell oder eventuell Lean Canvas abgeleitet werden.
Mit welcher Hypothese starte ich?
Der Hauptgrund für das Scheitern von Startups ist die fehlende Marktakzeptanz. Deshalb werden allgemein zunächst Value Hypothesen getestet und darauf aufbauend die Growth Hypothesen. Eric Ries nennt in seinem Buch folgende Fragen, die zunächst geklärt werden müssen.
- Erkennen Kunden, dass sie das Problem haben, das wir lösen wollen?
- Würden sie für die Lösung Geld bezahlen?
- Würden sie uns für unsere Lösung bezahlen?
Eine präzise Hilfestellung bei der Auswahl der ersten bzw. der nächsten Hypothese liefert die Risikomatrix. Die Risikomatrix besteht aus den zwei wichtigsten Kenngrößen einer Hypothese – Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß.
Eine Hypothese kann mit „Wir glauben, dass…“ definiert werden. Wenn eine Hypothese definiert wurde, wird dafür ein MVP gebaut.
Aufgabe 2: Minimum Viable Product bauen
Um der Analyse-Paralyse zu entfliehen, wird ein MVP gebildet. Ein MVP hat folgende Charakteristiken:
- Ein MVP ist nicht perfekt (vor allem Early Adopters erwarten keine perfekten Produkte)
- Ein MVP erfüllt keine Zusatzfunktionen, sondern lediglich die Kernanforderung bzw. die Kernlösung des Problems.
- Ein MVP testet eine Hypothese nach der anderen.
Ein MVP zu bauen und zu testen bedeutet, die Komfortzone zu verlassen und sein Produkt zu testen. Dabei muss man mutig sein und sollte keine Angst vor Rückschlägen oder möglichen Wettbewerbern haben. Falls ein Risiko für die Marke eingeschätzt wird, kann ein MVP auch unter einer anderen Marke getestet werden.
Im Lean Startup nimmt das MVP eine zentrale Rolle ein und wird oft ungenau umgesetzt. Um Abhilfe zu leisten, erhält das MVP auf dieser Website einen eigenen Artikel.
Measure
In der Measure-Phase ist es an der Zeit, mit seinem MVP die eigenen vier Wände zu verlassen. In dieser Phase wird ein Realitätscheck mit echten Kunden durchgeführt. Realitätscheck bedeutet, das Produkt unter möglichst realen Marktbedingungen anzubieten. Kundenumfragen oder ähnliche Forschung reicht nicht mehr aus. Warum Realitätschecks und Messungen benötigt werden, verdeutlichen folgende Zitate.
»Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.«
Henry Ford»People don’t know what they want until you show it to them.«
Steve Jobs»People don’t know what they want until they are forced to open their wallet.«
Dan Norris
Was gilt es zu beachten in der Measure Phase? Starte mit der riskantesten Vermutung! Prüfe eine Hypothese pro Iteration! Für genauere Ergebnisse, führe Group Tests durch! Bei Group Tests werden die Tests in eine Testgruppe und in eine Vergleichgruppe aufgeteilt. An der Testgruppe werden Hypothese und MVP getestet. Die Vergleichsgruppe bleibt unverändert.
AAA – Actionable, Accessible, Audible
Die Messergebnisse im Lean Startup sollten folgende drei As erfüllen:
- Actionable → Ursache und Effekt müssen anhand von Messgrößen identifiziert werden können.
- Accessible → Die Resultate verschiedener Tests sollten für das ganze Unternehmen einsehbar sein.
- Auditable → Überprüfe die Hypothesen mit echten Kunden. Kundenbeschwerden sind hilfreich. Sie zeigen, was Kunden wichtig ist und was nicht.
Aus den Daten der Measure-Phase müssen in der Learn-Phase die richtigen Schlüsse gezogen werden.
Learn
In der Learn-Phase wird sich die Frage gestellt, pivot or persevere? Wenn man nicht zum gewünschten Ergebnis gekommen ist, wird ein Pivot empfohlen, nach dem Motto: Keep on Moving if your’re not growing!
Doch was genau geändert werden muss, ist oft nicht eindeutig. Folgender Katalog an Pivot-Möglichkeiten können Denkanstöße geben:
- Zoom-in-Pivot → Eine einzelne Funktion eines Produktes wird zum Produkt.
- Zoom-out-Pitvot → Das eigentliche Produkt wird zu einer einzelnen Funktion in einem übergeordneten Produkt.
- Customer Segment Pivot → Das Produkt schafft einen Mehrwert für Kunden, die noch nicht zur Zielgruppe gehörten.
- Customer Need Pivot → Das Problem wurde bestätigt, doch es löst die Kundenbedürfnisse nicht.
- Platform Pivot → Wenn das Produkt eine Platform für mehrere Lösungen ist, müssen mehrere Lösungen angeboten werden.
- Business Architecture Pivot → Von B2B zu B2C oder andersrum. Oder von hohen Margen und kleinen Stückzahlen zu kleinen Margen und hohen Stückzahlen.
- Value Capture Pivot → Änderung der Kennzahl, die den Value angibt. Beispielsweise kann die Kennzahl von Gewinn zu Anzahl neuer Kunden gewechselt werden.
- Engine Growth Pivot → Änderung des Wachstumsantriebs. Es wird zwischen drei Wachstumsantrieben unterschieden: klebriger Wachstumsantrieb, viraler Wachstumsantrieb und bezahlter Wachstumsantrieb.
- Channel Pivot → Hier wird der bzw. die Marketingkanäle gewechselt. Zu den Kanälen zählen: Aufmerksamkeitskanal, Vertriebskanal, After-Sales-Kanal.
- Technology Pivot → Die klassische Produktinnovation. Eine neue Technologie soll das bestehende Problem lösen.
Wenn die Value Hypothesen validiert wurden, kann sich dem Wachstum gewidmet werden. Sobald das Lernen aus der Iteration abgeschlossen ist, kann eine neue Hypothese mit einem neuen MVP getestet werden. Die Lean-Startup-Schleife startet wieder von vorn…
Acceleration
Um beim ständigen Messen und Lernen innovativ zu sein, ist es besonders wichtig, diese Feedbackschleife zu beschleunigen. Die Schnelligkeit des Lernens gilt als große Herausforderung im Lean Startup.
Anwendungsbereich des Lean Startups
»A startup is a human institution designed to deliver a new product or service under extreme conditions of extreme uncertainty.«
Eric Ries
Die Lean Startup Methode wird angewendet, wenn neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle als Idee entstehen und die Akzeptanz des Marktes unbekannt ist. Dieser Ungewissheit sind vor allem Startups ausgesetzt. Deshalb wurde die Methode von Eric Ries zum Leitfaden für Innovationsversuche in vielen Startups. Außerdem wenden viele weitere Startups zumindest Teile der Erkenntnisse von Eric Ries an. Allerdings befinden sich, neben Startups, auch ältere und größere Unternehmen in einer zunehmend turbulenten Umwelt mit großer Ungewissheit. Das fordert einen erhöhten Innovationsbedarf. Viele dieser Unternehmen setzen beim Erweitern/Ändern des Angebots und des Geschäftsmodells ebenfalls auf die Lean Startup Methode. Vor allem größere Unternehmen haben dafür eigens eingerichtete Abteilungen, die dem »Geschäft von Morgen« auf der Spur sind. Der Ansatz von Eric Ries wird somit in verschiedensten Bereichen und Unternehmen eingesetzt. Die Gemeinsamkeit, die diese Unternehmen haben, ist meist die Ungewissheit der ihre Vorhaben ausgesetzt sind.
Quellen
Ries, E. 2011: Lean Startup, Penguin Random House, New York 2011.