So wie jedes andere Konzept, hat auch die Agilität ihre eigenen Werte. Gemeint sind hiermit verschiedene Verhaltensrichtlinien oder auch Ideologien. Ein agiles Team sollte sich an diesen Richtlinien orientieren.
Agile Werte sind, wie das Mindset, ein weicher Faktor und üben eine starke Wirkung auf den Erfolg von Agilität aus. In der Literatur wird häufig davor gewarnt, diese weichen Faktoren nicht aus den Augen zu verlieren.
Die vier agilen Werte haben ihren Ursprung im agilen Manifest. Das agile Manifest wurde im Jahr 2001 von 17 Softwareentwicklern definiert. Auch wenn es in Fachkreisen teilweise leicht abweichende Beschreibungen gibt, so herrscht dennoch weitestgehend Einigkeit über die Werte und Prinzipien im agilen Arbeiten.
Was steckt hinter den agilen Werten?
Agiler Wert #1
#1 Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
Beck, K. et al 2001
Der Fokus dieser Aussage liegt darauf, intensive Kommunikation und Zusammenarbeit zu fördern.
Gänzlich auf Prozesse und Werkzeuge zu verzichten, wäre allerdings eine Fehleinschätzung des Wertes. Es geht eher darum, Prozesse zum Optimieren einzusetzen, aber stets abzuwägen, wie die Individuen und Interaktionen dadurch beeinträchtigt werden. Das ist vor allem für Interaktionen zwischen mehreren Abteilungen, Teams und Hierarchieebenen wichtig.
Den ersten agilen Wert führe ich auf folgende Grundsätze zurück:
- Durch fehlendes Alignment zwischen Teammitgliedern, Abteilungen und Hierarchieebenen verliert das Unternehmen an Effektivität.
- Durch starke Individuen und Interaktionen können die Kräfte stärker auf die Ziele des Teams beziehungsweise des Unternehmens ausgerichtet werden.
- Komplexe Vorhaben fordern ein vernetztes und schnelles Handeln.
Nutzen: Durch starke und flexible Interaktionen werden die Individuen miteinander vernetzt. Dadurch gewinnt das agile Arbeiten unter anderem eine schnelle Handlungsfähigkeit. Außerdem vermeidet der erste Wert, dass Mitarbeiter oder Teammitglieder in verschiedene Richtungen laufen. Dadurch gewinnt das Unternehmen zum einen an Effektivität und zum anderen verstreut es weniger Ressourcen auf dem Weg.
Beispiel zur Umsetzung: In der Praxis wird der erste agile Wert oft von Daily Standups (in Scrum: Daily Scrum) umgesetzt. Dabei besprechen Teammitglieder in strukturierter Weise täglich ca. 15 Minuten die aktuelle Lage. Das schafft Transparenz, die dazu führen soll, dass Mitarbeiter sich vernetzen und gemeinsam in die gleiche Richtung laufen. Das Format des Daily Standups kann auch an die jeweilige Situation angepasst werden und auch beispielsweise wöchentlich stattfinden.
Agiler Wert #2
#2 Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
Beck, K. et al. 2001
Die Wortwahl im zweiten Wert zeigt, dass Agilität ihren Ursprung in der Softwareentwicklung hat. Er ist aber einfach übertragbar auf andere Branchen. Sie können also »Software« gedanklich mit »Ergebnisse« austauschen.
Mit dem zweiten agilen Wert wird der Fokus auf die Qualität der Ergebnisse gesetzt. Ähnlich wie bei Wert #1, kommt es auch bei Wert #2 zu einigen Missverständnissen. Die Agilität sieht Dokumentation nicht als vollkommen überflüssig an – ganz im Gegenteil sogar. Allerdings ist eine Dokumentation nur dann sinnvoll, wenn eine Person ihre Arbeit danach schneller und effizienter nachgehen kann als zuvor. Ein Ergebnis zu dokumentieren, welches nicht fertiggestellt wurde oder Fehler beinhaltet ist weder zielführend noch wichtig.
Der Nutzen dieses Wertes ist es, die Qualität der Ergebnisse stärker zu priorisieren als nebenher anfallende Verwaltungsaufgaben wie Dokumentationen. Das bringt gleich zwei positive Effekte:
- Die Ergebnisse und Produkte sind qualitativ hochwertiger. Das führt wiederum zu mehreren Vorteilen: Zufriedene Kunden, motivierte Mitarbeiter, besseres Unternehmensergebnis und Weiteres.
- Verschwendungen werden vermieden: Es wird am Ende nur das dokumentiert, was am Ende auch wichtig ist.
Ein Beispiel zur Umsetzung des zweiten agilen Werts wäre die Dokumentation und weitere Nebentätigkeiten der Entwicklung, auf das Ende der Entwicklung zu setzen und den Fokus auf die Ergebnisse zu halten.
Agiler Wert #3
#3 Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
Beck, K. et al. 2001
Auch in der Agilität wird ein Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer durch nichts ersetzt. Allerdings ist mit einem Vertrag nicht automatisch alles geregelt.
Dem dritten agilen Wert würde ich gleich mehrere Grundsätze zuordnen:
- Im agilen Umfeld können die Kundenbedürfnisse nur schwer vorhergesagt werden.
- Nur durch die Integration des Kunden in irgendeiner Form können Top-Ergebnisse erzielt werden.
- Es kostet mehr Zeit und Ressourcen etwas falsches zu entwickeln, statt den Kunden einzubinden.
Der Nutzen dieses Wertes ist es, das Risiko des dynamischen Marktes zu mindern. Durch die Einbindung des Kunden werden Kundenbedürfnisse schneller, effektiver und effizienter befriedigt.
Beispiel zur Umsetzung: Wie in jeder guten Partnerschaft ist Kommunikation hier der Schlüssel zum Erfolg. In der Praxis bedeutet das, den Kunden in die Feedbackschleife einzubinden. Vor allem die Lean-Startup-Methode hat diesen Wert verinnerlicht.
Agiler Wert #4
#4 Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans
Beck, K. et al. 2001
Der vierte und letzte agile Wert thematisiert flexible Vorgehensweisen.
Ein flexibles Vorgehen und das Begrüßen von Veränderungen ist wichtiger als eine vollständige Planung von Beginn an. Auch an dieser Stelle kommt es zu Fehlinterpretationen. Die Agilität sieht nicht vor Pläne komplett zu verteufeln. Häufiges, kurzfristiges Planen wird im agilen Arbeiten sogar sehr geschätzt.
Den vierten agilen Wert führe ich auf zwei Grundsätze zurück:
- Langfristige Pläne treffen meist auf unvorhergesehene Schwierigkeiten und sind unvereinbar mit den zunehmenden Marktdynamiken in den meisten Branchen.
- Außerdem ändern sich auch oft die Anforderungen mit der Zeit.
Nutzen: Der vierte Wert zielt darauf ab, die genannten Schwierigkeiten zu akzeptieren und bei Bedarf mit einem flexiblem Vorgehen zu begegnen.
Beispiel zur Umsetzung: Der vierte agile Wert wird am besten mit kurzen und häufigen Feedbackschleifen umgesetzt. Diese Feedbackschleifen sind zum Beispiel in Scrum, Lean Startup oder Design Thinking bereits integriert. Sie basieren im Grunde auf einem simplen Vorgehen, das es bereits seit den 1930ern gibt: Dem PDCA-Zyklus. Kürzere und häufigere Iterationen steigern dabei die Agilität. Allerdings hängt die Länge und Anzahl der Iterationen von verschiedenen Gegebenheiten (Team, Branche, Projektart, Risiko usw.) ab.
Neben diesen Beispielen für die Projektdurchführung gibt es auch Ansätze, um selbst planerische Tätigkeiten wie die Produktroadmap agiler zu gestalten. Dazu dienen agile Roadmap-Formate wie die Now-Next-Later-Roadmap oder die Goal-Oriented-Roadmap.
Fazit
Der Zweck der agilen Werte ist es einen groben Rahmen zu schaffen, in dem im agilen Arbeiten gehandelt werden sollte. Die Werte können die Leitplanken sein auf den Weg zu eigenen, maßgeschneiderten agilen Methoden.
In zwei Sätzen würde ich die agilen Werte folgendermaßen zusammenfassen: Im agilen Arbeiten herrscht eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kunden, um den Fokus auf die Qualität der Ergebnisse zu halten. Dafür bedarf es eine Projektdurchführung, die flexibel für Veränderungen ist.
Quellen
Beck, K. et al. 2001a: Agile Manifesto, unter: http://agilemanifesto.org/
Gloger, B./ Margetich, J. 2014: Das Scrum-Prinzip, 1. Aufl., Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft Steuern Recht GmbH Stuttgart 2014
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Pröpper, N. 2012: Agile Techniken für klassisches Projektmanagement, 1. Aufl., mitp Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2012
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Scheller, T. 2017: Auf dem Weg zur agilen Organisation, 1. Auflage, Vahlen München 2017
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